
Mehrwertsteuer: Worauf zahlen wir eigentlich wieviel MwSt. - und warum?
Das Wichtigste zum Thema Mehrwertsteuer
Die steuerrechtlich korrekte Bezeichnung für die Mehrwertsteuer lautet eigentlich "Umsatzsteuer". Im deutschen Sprachgebrauch haben sich aber der Begriff "Mehrwertsteuer" sowie dessen Abkürzungen MwSt. oder auch Mw.-St. etabliert.
Die Umsatzsteuer wird nach dem "Mehrwertprinzip" berechnet - daher auch der Begriff Mehrwertsteuer. Demnach zahlt jedes Unternehmen eine Umsatzsteuer an den Staat.
Sie errechnet sich durch den Mehrwert, den ein Betrieb mit dem Verkauf von Gütern oder Dienstleistungen erzielt. Damit ist der Unterschied zwischen dem Einkaufspreis von Waren für die Herstellung und dem Verkaufspreis des Produkts gemeint.
In Deutschland wurde die Mehrwertsteuer 1968 eingeführt - damals noch mit einem Satz von zehn Prozent. Mittlerweile beträgt sie regulär 19 Prozent. Im Zeitraum zwischen März 2021 und März 2022 hat die Bundesrepublik über die Umsatzsteuer rund 287,2 Milliarden Euro einnehmen können.
Was ist die Mehrwertsteuer und warum gibt es sie?
Alle Produkte - egal ob Lebensmittel, Kleidung oder auch immaterielle Güter wie Dienstleistungen - müssen honoriert werden. In den meisten Teilen der Welt bezahlen Verbraucher:innen mit ihrem Geld jedoch nicht nur den reinen Warenwert: Auf jeden Preis kommt noch ein zusätzlicher Betrag hinzu, der an den Staat abgeführt werden muss - die Mehrwertsteuer.
Die Abgaben begründen sich durch den Mehrwert, den Produzent:innen schaffen, indem sie für die Gesellschaft Güter herstellen oder einen Service anbieten. Letztendlich richtet sich die Steuer also an die Endverbraucher:innen.
Weil es aber zu umständlich wäre, jeden einzelnen privaten Einkauf individuell zu besteuern, fällt diese Aufgabe den Unternehmen zu. Sie müssen die Mehrwertsteuer in vom Staat festgelegten Prozentsätzen auf ihre Produkte erheben und über das Finanzamt an ihn abführen.

Mit der Mehrwertsteuer bezahlt die Bevölkerung den Aufwand der Warenproduktion.
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Verbraucher:innen zahlen also einen Bruttopreis, welcher sich aus der Summe des ursprünglichen Warenwerts (Nettopreis) und der Mehrwertsteuer ergibt.
Ein Beispiel: Ein Apfel kostet ursprünglich (netto) einen Euro. Der Staat, in welchem das Obst verkauft wird, verlangt auf diesen Preis zusätzlich noch fünf Prozent Mehrwertsteuer - also fünf Cent, die aufgeschlagen werden müssen. Ein Supermarkt verkauft den Apfel deshalb endgültig (brutto) für 1,05 Euro.

Auf Kassenbons und Dienstleistungs-Rechnungen müssen neben den Bruttopreisen auch immer verpflichtend die Nettobeträge sowie die Mehrwertsteuer angegeben sein
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Reguläre und ermäßigte Steuersätze
Bei der Mehrwertsteuer geben Staaten feste Beträge vor, die beim Verkauf von Produkten oder Dienstleistungen an ihn abgeführt werden sollen.
Bestimmte Güter werden jedoch von dieser Regel ausgenommen und einem niedrigeren (ermäßigten) Steuersatz unterzogen, um die Verbraucher:innen finanziell zu entlasten. In Deutschland betrifft das insbesondere Grundnahrungsmittel, den öffentlichen Nahverkehr, einige medizinische Behandlungen, Kultur - etwa Bücher, Zeitungen und Eintrittskarten zu Konzerten - und auch die Leistungen gemeinnütziger oder kirchlicher Vereine.
Vom ermäßigten Steuersatz ausgeschlossen sind hingegen Konsum- und "Luxusgüter": meist sehr teure, qualitativ hochwertige Waren und Services, die als nicht zwingend notwendig angesehen werden. So sind Flugreisen innerhalb Deutschlands etwa mit 19 Prozent besteuert. Bei den Lebensmitteln zählen beispielsweise Kaviar, Hummer oder Schnecken zu Luxusprodukten.

Schön, aber zum Leben nicht notwendig: Luxusgüter wie Hummer und Champagner. Sie werden mit dem Regelsteuersatz versehen - denn wer dafür genug Geld hat, kann sich auch die Steuer leisten.
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Manche Dienstleistungen und Waren gelten zudem als steuerfrei - sie müssen also nicht mit der Mehrwertsteuer belegt werden. Hierunter fallen beispielsweise Versicherungen, Kreditvermittlungen, internationaler See- und Luftverkehr sowie Warenlieferungen ins In- und Ausland.
Wie viel Mehrwertsteuer zahlen wir in Deutschland?
Jedes Land kann seine Mehrwertsteuer-Sätze weitestgehend selbst bestimmen. In Deutschland existiert die reguläre Mehrwertsteuer erst seit 1968; die ermäßigte sogar erst seit 1983.
Als Teil der Europäischen Union muss Deutschland gewisse Vorgaben berücksichtigen. Die EU legt unter anderem fest, dass die Regelsteuersätze aller Mitgliedsstaaten nicht geringer als 15 Prozent sein beziehungsweise bei der ermäßigten Besteuerung mindestens fünf Prozent betragen müssen.
Hierzulande liegt die Mehrwertsteuer knapp über diesen Untergrenzen: Gemäß des Paragrafen 12 des Umsatzsteuergesetzes erhebt die Bundesrepublik regulär 19 und ermäßigt sieben Prozent Mehrwertsteuer auf alle Güter.
Den EU-weit niedrigsten regulären Steuersatz verlangt übrigens Luxemburg mit 17 Prozent, den höchsten hat Ungarn mit 27 Prozent.
Was fällt in Deutschland unter die ermäßigte Mehrwertsteuer?
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Grundnahrungsmittel: Hier stellt sich die Frage, welche Lebensmittel überhaupt als essenziell gelten. Weil das in Deutschland nicht per Gesetz definiert ist, wirkt die Besteuerung manchmal etwas willkürlich. Zum Beispiel gilt bei Kartoffeln der ermäßigte Satz von sieben Prozent - Süßkartoffeln aber sind regulär mit 19 Prozent besteuert. So verhält es sich auch mit Kuhmilch (ermäßigt) und pflanzlicher und laktosefreier Milch (regulär). Tiernahrung ist ermäßigt, Babynahrung nicht. Und obwohl Tee und Kaffee in die Sieben-Prozent-Kategorie fallen, ist Mineralwasser wieder regulär besteuert. Einigkeit herrscht darüber, dass Fleisch und Backwaren als Grundnahrungsmittel gelten - sie sind begünstigt. In dieser Liste hat die Bundesrepublik alle ermäßigten Waren aufgeführt.
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Öffentlicher Nahverkehr: Bahn-, Tram- und Bustickets sowie Taxigebühren für Fahrten innerhalb eines 50-Kilometer-Radius sind begünstigt.
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Medizin: Niedriger besteuert sind Fortbewegungsmittel für Menschen mit Behinderung, allen voran Rollstühle. Dasselbe gilt für Prothesen, orthopädische Vorrichtungen wie Krücken oder medizinisch-chirurgische Gürtel und Bandagen, künstliche Gelenke; Geräte, welche Körperfunktionen ersetzen (zum Beispiel Hör- und Sehhilfen sowie Herzschrittmacher) und ausgewählte zahnärztliche Leistungen. Für Ersatzteile und Zubehör gilt allerdings der reguläre Satz mit 19 Prozent.
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Landwirtschaft: Nur mit sieben Prozent Steuern belegt sind tierische und/oder pflanzliche Düngemittel (mit Ausnahme von Guano), die nicht chemisch behandelt sind. Auch gewisse Brennholz-Formen, Sägespäne und andere Holzabfälle gehören dazu. Ebenso die Tierzucht und -haltung, die Zucht von Pflanzen und die Leistungs- und Qualitätsprüfung in der Tier-und Milchwirtschaft.
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Damenhygiene: Seit Januar 2020 müssen Frauen auf Periode-Artikel wie Tampons, Binden, Tassen und Periodenhosen nur noch den ermäßigten Steuersatz zahlen.
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Wohnraum: Wer kurzfristig Wohn- und Schlafräume sowie Campingflächen mietet, muss nur mit sieben Prozent Aufschlag rechnen.
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Kunst- und Sammlerstücke: Kulturgut wie handgeschaffene Gemälde, Collagen, Originale aus der Bildhauerkunst oder aus Stoffen sind begünstigt versteuert. Das trifft auch auf zoologisch, botanisch, mineralogisch, anatomisch, geschichtlich, archäologisch, paläontologisch oder völkerkundlich wertvolle Gegenstände zu. Besondere Münzen, ungültige Banknoten und Medaillen fallen ebenso unter die Ermäßigung.
Die Mehrwertsteuer gerät besonders zu Krisenzeiten in die Debatte
Als die deutsche Wirtschaft mit der Corona-Pandemie im Jahr 2020 ins Straucheln geriet, traf die Bundesregierung eine historische Entscheidung: Vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2020 senkte sie die Mehrwertsteuer von 19 auf 16 beziehungsweise beim ermäßigten Satz von sieben auf fünf Prozent. So wollte sie den stagnierenden Konsum wieder antreiben und dem Wirtschaftseinbruch aus der ersten Jahreshälfte entgegenwirken.

Um den vom Corona-Lockdown verursachten Wirtschaftseinbruch einzudämmen und den Konsum attraktiver erscheinen zu lassen, senkte die Bundesregierung 2020 für ein halbes Jahr die Mehrwertsteuer.
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Auch in der aktuellen Krise - angetrieben durch Russlands Krieg gegen die Ukraine - ist die Mehrwertsteuer wieder in den Fokus der deutschen Politik gerückt. Steigende Energiekosten, ein drohendes Gas-Embargo sowie Lieferengpässe als Folge der Angriffe auf die Ukraine und der Sanktionen gegen Russland haben vor allem die Lebensmittelpreise in die Höhe schnellen lassen.
Sozialverbände und der Bundeswirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) warnen nun, dass die steigenden Kosten gering verdienende Menschen an ihre finanziellen Grenzen bringen könnten. Für Grundnahrungsmittel - speziell Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte - fordern sie deshalb, die Mehrwertsteuer auf null Prozent abzusenken - sprich, sie faktisch abzuschaffen.

Der Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, Cem Özdemir, fordert angesichts der Auswirkungen des Ukraine-Krieges eine Steuersenkung auf essenzielle Lebensmittel.
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