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Die "Verfassung der Welt": Was regelt das Völkerrecht?

  • Veröffentlicht: 09.03.2022
  • 13:45 Uhr
  • Galileo

Die Vereinten Nationen (UN) werten die militärische Gewalt Russlands gegen die Ukraine als schwere Verletzung des Völkerrechts. Doch was ist das Völkerrecht eigentlich und für wen gilt es? Im Clip blicken wir zudem hinter die Kulissen der UN.

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Das Wichtigste zum Thema Völkerrecht

  • Der Begriff "Völkerrecht" steht für alle Gesetze und Regeln, die international gelten. Sie wurden von Staaten beschlossen, um Weltfrieden und Sicherheit zu bewahren.

  • Das Völkerrecht als solches existiert nicht als Verfassung. Vielmehr richtet es sich nach den Gesetzen der größten globalen Organisation, den Vereinten Nationen (UN), sowie nach den allgemeingültigen Normen und Prinzipien der Menschenrechte.

  • Das Völkerrecht ist nicht in Stein gemeißelt. Die zunehmende Vernetzung der Welt durch den technischen Fortschritt bestimmt nicht nur unser Leben, sondern auch das internationale Recht - es wird immer komplexer.

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Das Völkerrecht gilt international

Das Völkerrecht umfasst alle international geltenden Regeln und Gesetze. Als überstaatliche Rechtsordnung regelt es das Verhalten und die Zusammenarbeit von Ländern untereinander. Somit sollen Grundlagen für globalen Frieden, Wohlstand und Stabilität geschaffen werden.

Das Völkerrecht besteht aus verschiedenen Verträgen, nicht aber aus einem niedergeschriebenen Gesetzeskodex. Seine wichtigsten Quellen sind die 1945 geschaffene Verfassung der Vereinten Nationen (UN-Charta) sowie die allgemeingültigen Menschenrechte.

Das Völkerrecht gibt es nicht als Verfassung. Eine seiner wichtigsten Quellen ist deshalb die Charta der Vereinten Nationen.
Das Völkerrecht gibt es nicht als Verfassung. Eine seiner wichtigsten Quellen ist deshalb die Charta der Vereinten Nationen.© picture-alliance / dpa | epa afp Asfouri

Unterteilt ist das Völkerrecht in verschiedene Friedens- und Kriegsrechte. So legt es jeweils genau fest, welche Rechte und Pflichten den Staaten in Friedens- und Kriegszeiten zukommen. Das Friedensvölkerrecht regelt zudem, ob und wann militärische Gewalt rechtmäßig angewendet werden kann - etwa, um einen bewaffneten Konflikt zu beenden.

Die Welt wird kleiner, das Völkerrecht umfassender

Durch die Globalisierung und den technischen Fortschritt spielen völkerrechtliche Beziehungen eine immer wichtigere Rolle. Gleichzeitig werden sie aber auch umfassender und komplexer. So hat sich das Völkerrecht mittlerweile auf Bereiche ausgeweitet, die früher rein innerstaatlich geregelt wurden.

Dazu zählen beispielsweise der Klima- und Umweltschutz, die Flugsicherheit, Vorschriften für Lebensmittel oder die internationale Zuteilung von Radiofrequenzen.

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Das Völkerrecht betrifft viele Aspekte

🕊 Allgemeines Gewaltverbot: Gewaltfreiheit ist der wichtigste Grundsatz der UN-Charta und ist somit auch im Völkerrecht verankert. Jegliche Androhung oder Anwendung von militärischer Gewalt auf Menschen, Völker, Territorien und Nationen, sowohl inner- als auch überstaatlich, sind durch das Gesetz verboten.

🌈 Universale Menschenrechte: Jedem Menschen stehen grundlegende Rechte zu. Allen voran müssen für die Rechte auf Leben, körperliche Unversehrtheit, persönliche Freiheit sowie Meinungs- und Gewissensfreiheit gewährleistet sein. Ein Verstoß gegen die Menschenrechte gilt also auch als Verstoß gegen das Völkerrecht.

🪖 Schutz von Menschen im bewaffneten Konflikt: Das humanitäre Völkerrecht regelt das Verhalten in bewaffneten Konflikten. Dazu zählen Gesetze, die Zivilpersonen und Verwundete schützen. Weiterhin geben sie vor, wie Kriegsverträge zu schließen sind, dass Kriegsgefangene fair behandelt und Vereinbarungen wie ein Waffenstillstand eingehalten werden müssen.

💣 Terror- und Verbrechensbekämpfung: Das Völkerrecht beschäftigt sich auch mit Fragen, die im Zusammenhang mit terroristischer Gewalt aufkommen. Es geht vor allem darum, wie sich Staaten trotz des Gewaltverbots gegen Terroristen verteidigen dürfen. So gilt das Völkerrecht besonders für die Zusammenarbeit von Staaten zur Terrorismusbekämpfung.

🏞 Klima- und Umweltschutz: Ein wirksamer Umweltschutz kann nur erzielt werden, wenn alle Staaten gleichermaßen mithelfen und dieselben Ziele verfolgen. Daher gibt es ein "Umwelt-Völkerrecht", durch welches das Klima geschützt und natürliche Ressourcen geschont werden sollen.

💱 Internationales Handelsrecht: Damit der Weltmarkt funktionieren kann, müssen auch im Handel stabile, international gültige Rechtsordnungen gelten.

📞 Informationsordnung: Globale Kommunikationsmittel wie das Internet müssen überstaatlich reguliert werden, um Gefahren wie Cyberkriminalität zu bekämpfen. Das Völkerrecht gibt daher eine Informationsordnung vor, die unter anderem auf dem internationalen Menschenrechtsschutz sowie auf dem internationalen Wirtschaftsrecht basiert.

🛬 Transportwesen: Auch internationale Transportvorgänge - sowohl von Menschen als auch von Gepäck - auf Luft-, See- und Landwegen werden durch das Völkerrecht geschützt.

Wer entscheidet über neue Regeln?

Auf nationaler Ebene sind in der Regel gewählte Volksvertreter dafür zuständig, neue Gesetze zu erlassen. Bei völkerrechtlichen Beschlüssen ist das aber kaum möglich. Deshalb entsendet jeder Staat hierzu Vertreter:innen, welche die Interessen ihres Landes beziehungsweise die ihrer Regierung international vorbringen.

Meist verhandeln diese Delegierten miteinander, bis sie einen für alle Staaten annehmbaren Kompromiss gefunden haben. In einem Vertrag wird das neue Gesetz dann festgehalten und beurkundet (Ratifikation).

Die ehemalige Außenministerin von Myanmar, Aung San Suu Kyi, präsentiert 2016 eine UN-Ratifikations-Urkunde.
Die ehemalige Außenministerin von Myanmar, Aung San Suu Kyi, präsentiert 2016 eine UN-Ratifikations-Urkunde.© picture alliance / dpa | Peter Foley

Das Völkerrecht sieht alle Länder als gleichberechtigt an, unabhängig von ihren Größe, Kultur und Vermögen. Somit wahrt es eine demokratische Grundlage bei der Verhandlung um neue Gesetze - auch wenn diese zumeist nicht wie sonst in einer Demokratie üblich per Wahl zustande kommen.

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Von der Antike bis zur Gegenwart: Stationen des Völkerrechts

Die Anfänge des Völkerrechts finden sich im antiken Griechenland (800 - 30 v. Chr.). Schon damals unterhielten viele griechische Stadtstaaten freundschaftliche und wirtschaftliche Beziehungen zueinander. Das warf die Frage auf, welches Recht zwischen ihnen gelten sollte.
Die Anfänge des Völkerrechts finden sich im antiken Griechenland (800 - 30 v. Chr.). Schon damals unterhielten viele griechische Stadtstaaten freundschaftliche und wirtschaftliche Beziehungen zueinander. Das warf die Frage auf, welches Recht zwischen ihnen gelten sollte.© picture alliance / akg-images | akg-images
Daraus entwickelten sich die erste völkerrechts-ähnliche Gesetzmäßigkeit, das "ius fetiale". Auf dessen Basis entschied eine Priesterschaft darüber, ob ein Krieg gerechtfertigt war. Sie sprach förmliche Kriegserklärungen oder Friedensschlüsse aus und regelte zudem das Gesandtschaftswesen.
Daraus entwickelten sich die erste völkerrechts-ähnliche Gesetzmäßigkeit, das "ius fetiale". Auf dessen Basis entschied eine Priesterschaft darüber, ob ein Krieg gerechtfertigt war. Sie sprach förmliche Kriegserklärungen oder Friedensschlüsse aus und regelte zudem das Gesandtschaftswesen.© Getty Images
Im Römischen Reich (753 v. Chr. - 476 n. Chr.) entstand erstmals der Gedanke, dass für alle Menschen die gleichen Rechte gelten sollten. Dieser Grundsatz wurde "ius gentium" genannt - zu Deutsch "Völkerrecht".
Im Römischen Reich (753 v. Chr. - 476 n. Chr.) entstand erstmals der Gedanke, dass für alle Menschen die gleichen Rechte gelten sollten. Dieser Grundsatz wurde "ius gentium" genannt - zu Deutsch "Völkerrecht".© Getty Images
Durch die Kreuzzüge (1095 - 1291) kamen kriegsvölkerrechtliche Fragen auf - etwa, wie gültige Waffenstillstands- und Friedensverträge zustande kommen können. Zudem zweifelten viele das Recht der europäischen Christengemeinschaft auf diese "heiligen Kriege" an. Der Philosoph Thomas von Aquin entwickelte deshalb die "Lehre des gerechten Krieges". Danach könne nur die Verteidigung gegen einen militärischen Angriff oder von Recht
Durch die Kreuzzüge (1095 - 1291) kamen kriegsvölkerrechtliche Fragen auf - etwa, wie gültige Waffenstillstands- und Friedensverträge zustande kommen können. Zudem zweifelten viele das Recht der europäischen Christengemeinschaft auf diese "heiligen Kriege" an. Der Philosoph Thomas von Aquin entwickelte deshalb die "Lehre des gerechten Krieges". Danach könne nur die Verteidigung gegen einen militärischen Angriff oder von Recht© Getty Images
Durch den Westfälischen Frieden (1648) konnten Nationen ganz neue Beziehungen zueinander aufbauen. Fürsten erhielten erstmals diplomatische Freiheiten, die sie nutzten, um Allianzen und Koalitionen zu schließen. Daraus entwickelten sich die heute üblichen internationalen Vertrags- und Bündnisschlüsse zwischen Staaten.
Durch den Westfälischen Frieden (1648) konnten Nationen ganz neue Beziehungen zueinander aufbauen. Fürsten erhielten erstmals diplomatische Freiheiten, die sie nutzten, um Allianzen und Koalitionen zu schließen. Daraus entwickelten sich die heute üblichen internationalen Vertrags- und Bündnisschlüsse zwischen Staaten.© Getty Images
Nach dem ersten Weltkrieg bekannten sich die daran beteiligten Nationen zu einem entscheidenden Aspekt des modernen Völkerrechts: dem Gewaltverbot. Mit dem "Briand-Kellogg-Pakt" unterzeichneten sie 1928 den ersten Vertrag zur Ächtung des Krieges. Dieser wurde auch noch nach 1945 heranzogen, um die Kriegsverbrechen von Deutschland und Japan im Zweiten Weltkrieg gerichtlich zu verurteilen.
Nach dem ersten Weltkrieg bekannten sich die daran beteiligten Nationen zu einem entscheidenden Aspekt des modernen Völkerrechts: dem Gewaltverbot. Mit dem "Briand-Kellogg-Pakt" unterzeichneten sie 1928 den ersten Vertrag zur Ächtung des Krieges. Dieser wurde auch noch nach 1945 heranzogen, um die Kriegsverbrechen von Deutschland und Japan im Zweiten Weltkrieg gerichtlich zu verurteilen.© IMAGO / UIG
Mit dem Völkerbund (1919) und seinem 1945 gegründeten Nachfolger, der UN, entstanden erstmals Weltorganisationen, die auf dem Gewaltanwendungs-Verbot beruhen. Innerhalb der UN kann ein Sicherheitsrat darüber entscheiden, ob und wann ein militärischer Einsatz rechtmäßig erfolgt.
Mit dem Völkerbund (1919) und seinem 1945 gegründeten Nachfolger, der UN, entstanden erstmals Weltorganisationen, die auf dem Gewaltanwendungs-Verbot beruhen. Innerhalb der UN kann ein Sicherheitsrat darüber entscheiden, ob und wann ein militärischer Einsatz rechtmäßig erfolgt.© picture-alliance / akg-images | akg-images
Die Anfänge des Völkerrechts finden sich im antiken Griechenland (800 - 30 v. Chr.). Schon damals unterhielten viele griechische Stadtstaaten freundschaftliche und wirtschaftliche Beziehungen zueinander. Das warf die Frage auf, welches Recht zwischen ihnen gelten sollte.
Daraus entwickelten sich die erste völkerrechts-ähnliche Gesetzmäßigkeit, das "ius fetiale". Auf dessen Basis entschied eine Priesterschaft darüber, ob ein Krieg gerechtfertigt war. Sie sprach förmliche Kriegserklärungen oder Friedensschlüsse aus und regelte zudem das Gesandtschaftswesen.
Im Römischen Reich (753 v. Chr. - 476 n. Chr.) entstand erstmals der Gedanke, dass für alle Menschen die gleichen Rechte gelten sollten. Dieser Grundsatz wurde "ius gentium" genannt - zu Deutsch "Völkerrecht".
Durch die Kreuzzüge (1095 - 1291) kamen kriegsvölkerrechtliche Fragen auf - etwa, wie gültige Waffenstillstands- und Friedensverträge zustande kommen können. Zudem zweifelten viele das Recht der europäischen Christengemeinschaft auf diese "heiligen Kriege" an. Der Philosoph Thomas von Aquin entwickelte deshalb die "Lehre des gerechten Krieges". Danach könne nur die Verteidigung gegen einen militärischen Angriff oder von Recht
Durch den Westfälischen Frieden (1648) konnten Nationen ganz neue Beziehungen zueinander aufbauen. Fürsten erhielten erstmals diplomatische Freiheiten, die sie nutzten, um Allianzen und Koalitionen zu schließen. Daraus entwickelten sich die heute üblichen internationalen Vertrags- und Bündnisschlüsse zwischen Staaten.
Nach dem ersten Weltkrieg bekannten sich die daran beteiligten Nationen zu einem entscheidenden Aspekt des modernen Völkerrechts: dem Gewaltverbot. Mit dem "Briand-Kellogg-Pakt" unterzeichneten sie 1928 den ersten Vertrag zur Ächtung des Krieges. Dieser wurde auch noch nach 1945 heranzogen, um die Kriegsverbrechen von Deutschland und Japan im Zweiten Weltkrieg gerichtlich zu verurteilen.
Mit dem Völkerbund (1919) und seinem 1945 gegründeten Nachfolger, der UN, entstanden erstmals Weltorganisationen, die auf dem Gewaltanwendungs-Verbot beruhen. Innerhalb der UN kann ein Sicherheitsrat darüber entscheiden, ob und wann ein militärischer Einsatz rechtmäßig erfolgt.

Das Völkerrecht im Wandel

Das klassische Völkerrecht wurde von Staaten für Staaten geschaffen und richtete sich lange ausschließlich an solche.

Mittlerweile spielen aber internationalen Organisationen – wie beispielsweise die UN, die WHO oder auch die Europäische Union – eine immer wichtigere Rolle im Völkerrecht.

Sie übernehmen nun Aufgaben, die früher von den einzelnen Staaten erfüllt werden mussten. Heutzutage sind so vor allem diese Organisationen dafür zuständig, Abkommen auszuhandeln und gemeinsam über globale Sicherheitsfragen zu entscheiden.

Internationale Organisationen, allen voran die UN, arbeiten über Ländergrenzen hinweg. So erfüllen sie Aufgaben, um das Völkerrecht weltweit zu vertreten.
Internationale Organisationen, allen voran die UN, arbeiten über Ländergrenzen hinweg. So erfüllen sie Aufgaben, um das Völkerrecht weltweit zu vertreten.© picture alliance / Xinhua News Agency | Wang Ying
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Der Mensch gewinnt an Bedeutung

Seit dem zweiten Weltkrieg beschäftigt sich das Völkerrecht auch nicht mehr nur mit staatlichen Fragen, sondern will auch jeden Einzelnen schützen und in die Verantwortung nehmen. Daraus haben sich menschenrechtsbezogene Bereiche wie das humanitäre Völkerrecht oder auch das Völkerstrafrecht entwickelt.

Diese bewahren das Prinzip der Menschlichkeit, indem sie zum Beispiel den Schutz von Zivilisten in Kriegen vorschreiben oder schwere Menschenrechtsverletzungen wie Völkermord oder Kriegsverbrechen verurteilen.

Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine fordert ein Demonstrant, dass der russische Präsident Wladimir Putin vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag kommt. Dort verurteilt die internationale Gemeinschaft auf Basis des Völkerrechts besonders schwere Straftaten wie Völkermord.
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine fordert ein Demonstrant, dass der russische Präsident Wladimir Putin vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag kommt. Dort verurteilt die internationale Gemeinschaft auf Basis des Völkerrechts besonders schwere Straftaten wie Völkermord.© picture alliance / Geisler-Fotopress | Christoph Hardt/Geisler-Fotopres

Somit kommt wiederum den Staaten selbst eine neue Rolle zu. Denn statt sich nur mit der Verteidigung der eigenen Grenzen zu beschäftigen, macht das Völkerrecht es nun immer mehr zur Aufgabe eines jeden Landes, für die Sicherheit und das Wohl seiner Bevölkerung zu sorgen.

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